Bei seiner Marktpräsentation schien das Tesla Modell S einem Science Fiction-Film entsprungen zu sein. Wobei das Erstaunlichste daran nicht der Elektroantrieb war. Nach der Übernahme von Tesla konzentrierte sich Elon Musk bereits ab dem Roadster Modell auf das Design der „Benutzerschnittstelle“. Und das machte sich bezahlt. Doch jetzt wurde von der NHTSA ein schwerwiegendes Problem aufgedeckt. Computer-Komponenten scheinen für Pkws nicht geeignet zu sein. Das könnte jedoch neue Chancen für Werkstätten bringen.  

Neuer Trend mit neuen Risiken 

Vor der Automobilindustrie war Elon Musk bereits in der IT-Branche erfolgreich. Und deshalb wusste er, dass die Benutzerschnittstelle – genauer die Benutzererfahrung – der wichtigste Faktor ist, der über die Kundenzufriedenheit und die mündliche Rezension der jeweiligen Dienstleistung oder des Produkts (Word-of-Mouth-Marketing) entscheidet. Und darauf baute Elon Musk mit Tesla seinen Erfolg auf. Sein Vision war, dass Autos für Fahrer genauso benutzerfreundlich sein müssen, wie iPhones. 

Als er im Jahr 2012 sein Modell mit einem großen, vertikal ausgerichteten Display anstelle der üblichen Bedientasten und Systeme präsentierte, war es ein Schock. Ein Schock, der sich bezahlt machte und der heute von allen anderen Herstellern, inklusive der neuen Mercedes S-Klasse, kopiert wird. Elon Musk setzte damals auf relativ kostengünstige und leicht verfügbare Komponenten für Mobilgeräte und lag damit völlig richtig. Er leitete damals eine Trendwende ein, die bis dato spezialisierten IT-Unternehmen wie nVidia einen Weg in die Automobilbranche ebnete.  

IT-Unternehmen erobern Automotive 

Den Vormarsch der IT-Unternehmen begünstigte eine weitere Innovation von Tesla – fortgeschrittene, auf AI basierende Fahrerassistenzsysteme (ADAS). Dieser Sparte nahm sich nVidia erst Ende 2018 an, um innerhalb von nur zwei Jahren zum Marktführer zu werden. Im vergangenen Jahr wurde vertraglich die exklusive Zusammenarbeit mit Mercedes Benz besiegelt, dessen S-Klasse (seit dem schicksalhaften Unfall in LeMans 1955) bis zur Markteinführung von Tesla als maßgebend im Bereich neuer Fahrsicherheitssysteme galt. 

Möglicher Rückruf von 158 000 Tesla-Modellen durch NHTSA 

Während die Zusammenarbeit zwischen nVidia und Mercedes sowie weiteren führenden Automobilherstellern erst aufgebaut wird, gehört Tesla seit Jahren zu den Bestandskunden. Bereits in den Jahren 2012 – 2018 setzte das Tesla Model S und in den Jahren 2016 – 2018 auch das Modell Y auf den nVidia Prozessor Tegra 3, bekannt aus Mobiltelefonen und Tablets, für die MCU (Media Control Unit) der Benutzerschnittstelle. 2018 wurde mit der neuen Autopilot- und AI-Generation von nVidia auch die Bordelektronik aktualisiert.  

Doch die US-amerikanische Behörde NHTSA deckte einen Schwachpunkt von Tesla auf, den selbst Elon Musk unterschätzt hatte. Der nVidia Tablet- und Smartphone-Prozessor Tegra 3 wurde um 8 GB Flash-Speicher erweitert. Das war damals bei Smartphones und Tablets mit Android-System eine übliche Vorgehensweise. Doch der Lebenszyklus eines Smartphones und der eines Autos unterscheidet sich ganz erheblich voneinander. Der zusammen mit dem Prozessor genutzte Flash-Speicher überlebt durchschnittlich „nur“ 3 000 Schreib- und Löschzyklen, was laut NHTSA für 5 – 6 Jahre der üblichen Nutzung ausreicht – genug für Smartphones aber viel zu kurz für Autos. 

Dabei verzeichnet die NHTSA allein in den USA insgesamt 12 588 Vorfälle betreffend die MCU zur Bildschirm-Steuerung. Aktuell liegt die Entscheidung offen, ob Tesla nicht zur Rückholung seiner Autos und zum Austausch des MCU Flash-Speichers aufgefordert wird. Diese Rückholaktion würde 158 000 Fahrzeuge betreffen. 

Was bedeutet das für die Zukunft von intelligenten Autos? 

Laut dem CEO von nVidia werden bis 2030 intelligente Autos bis zu einem Fünftel des Weltmarktes ausmachen. Doch auch in den übrigen Modellen werden wir vermehrt Computerelektronik und Touch-Screens begegnen. Hierbei müssen die Hersteller besonders achtsam bei der Auswahl der entsprechenden Komponenten sein. Diese werden neben den SAE-Normen für autonomes Fahren auch das Kriterium der Lebensdauer erfüllen müssen. Und diese wird sich im Zuge der Corona-Krise eher verlängern. In einer Vielzahl von Ländern übersteigt das Alter zugelassener Fahrzeuge 10 und mancherorts sogar 15 Jahre. 

Und das könnten die besagte gute Nachricht für Werkstätten und sogar Händler bedeuten. Es ist anzunehmen, dass das Tesla Modell S nicht das erste und einzige Auto mit modernsten Bordsystemen sein wird, dass sich den Ablaufzeiten der Speicher, Discs und SSC stellen muss. Doch im Unterschied zu Tablets und Notebooks braucht es bei Autos die entsprechenden Fachkräfte. Und da könnte sich der Austausch von Bordelektronik-Systemen in Zukunft als attraktive Wachstumschance für Werkstätten erweisen. Diese könnten im Rahmen ihres CRM den Zustand der elektronischen Komponenten erfassen und ihren Kunden den fristgerechten Austausch, beispielsweise beim Garantieservice, empfehlen. Gleichzeitig zeigt sich dies als Geschäftsmöglichkeit für Händler, um eigene Optionen in Form zusätzlicher „Garantien“ für die elektronischen Komponenten von Bordsystemen anzubieten. Und Sie? Ist Ihre Werkstatt auf die Aufrüstung mit PC-Komponenten vorbereitet? 

Quellen 

https://www.eetimes.com/nvidia-enters-adas-market-via-ai-based-xavier/ 

https://www.motortrend.com/news/tesla-model-x-s-nhtsa-screen-recall/ 

https://europe.autonews.com/automakers/nvidia-ceo-says-software-will-soon-define-car-drive-profit 

https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-06-23/mercedes-will-use-nvidia-technology-in-all-cars-from-2024 

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